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pulchris beauty and nails in Lienz

Christine Pötscher

Krampusabend 1980

Am 5. Dezember vor 42 Jahren kam ich (aus dem Mühlviertel stammend) nach Lienz.

Mein damaliger Freund stellt mich bei der Raika ab und meint: „Ich hab’ zu Deiner Begrüßung in Osttirol eine ganz tolle Überraschung. Bleib da stehen, ich muss noch etwas vorbereiten……“

Erwartungsfroh stehe ich mit weißen Stiefelchen in der ersten Reihe. Worauf die vielen Leute warten, ist mir ein Rätsel, aber vielleicht hat mein Schatzerl auch für sie etwas vorbereitet.

In aufgeregt, freudiger Erwartung frage ich mich, was sich mein Schatzerl wohl Schönes hat einfallen lassen, zu meiner Begrüßung, in meinem neuen Leben, mit meinen so jungen 17 Jahren, an diesem ersten Abend in meiner neuen Heimat Lienz 1980?

Zottelige Gestalten mit furchtbaren Fratzen kommen mit unglaublichem Getöse die Straße herunter. Ich schreie die Frau neben mir mit angstgeweiteten Augen an: „Was ist das?“ Sie gibt mir einen Schubs. Ich stolpere auf die Straße. Was sie sagt, höre ich nicht mehr……

Über mir, neben mir, überall sind stinkende Felle und Masken, dumpfes Glockengeläut und grausige Schreie. Oder bin ich es, die da schreit? Nie zuvor und nie mehr danach hat man mich so verprügelt, wie an diesem Abend.

Irgendwie gelingt es mir, mich auf allen Vieren zwischen die Beine der vielen Menschen zu retten, um so den Schlägen zu entkommen.

Rußverschmiert, weinend und völlig verstört, stolpere ich durch die fremde Stadt. Nach einer gefühlten Ewigkeit, mit der Angst im Nacken, diese grauslichen Gesellen könnten mir folgen, finde ich die elterliche Wohnung von meinem Freund. Wir hatten da meinen Koffer bei meiner Ankunft am Nachmittag abgestellt und so habe ich mir zumindest einigermaßen den Weg dahin gemerkt.

Niemand ist zu Hause, das Stiegenhaus ist dunkel und kalt. Ich krieche in den letzten Stock hinauf, bleibe vor einer versperrten Eisentüre, die vermutlich in den Dachboden führt, auf den eiskalten Steinstufen sitzen. Zitternd vor Angst und Kälte, warte ich auf die Heimkehr der Eltern …

Dieses Brauchtum gibt es in der Heimat meiner Kindheit – in Oberösterreich nicht. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum man mich so schlägt, wo ich doch keine Menschenseele hier kannte und mit Sicherheit niemand etwas zuleide getan hatte.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil mich dieser Brauch jedes Jahr an meinen ersten Abend an meine „Begrüßung“in Lienz erinnert. Und doch spüre ich, dass ich mit diesen Erlebnissen meinen Frieden geschlossen habe.

Vor ein paar Tagen rennt ein Krampus auf mich und mein Hunderl zu. Maunzi versteckt sich zwischen meinen Beinen, gerade so, wie ich mich damals gerettet habe und bellt sich die Seele aus dem Leib.

Mit fester Stimme, nur die Knie zittern ein wenig, sage ich: „Burli, lass uns in Ruhe!“ Ich höre hinter der Furcht einflößenden Maske ein bedauerndes:  „Ma heee“ … Ich muss lachen und denke so bei mir:

Das Alter hat zweifellos auch seine Vorteile.😉

Genießen Sie einen schönen Advent. Ihre Christine Pötscher.